Zur Situation in der Naturheilkunde
Mein Referat anlässlich des Treffens des
Fachausschusses für Gesundheit der FDP Bayern
am 12.05.2007 in Nürnberg
Wenn man mir 1976 den Auftrag gegeben hätte, die Naturheilkunde nach und nach abzuschaffen, wie hätte ich das wohl angestellt?
Zunächst hätte ich einen Skandal vom Zaun gebrochen, denn Skandal ist immer gut. Ich hätte behauptet, dass die Aristolochia Säure, die in homöopathischer Verdünnung im Traumeel, einem Wundheilmittel, vorkommt, Krebs verursacht. Dass es sich bei genauem Hinsehen darum handelte, dass - Mengenverhältnisse von Versuchen an Mäusen auf Menschen übertragen- man täglich einige Kilo der Ursubstanz essen musste um zu erkranken - wen kümmert es noch, wenn sich erst mal die Medien der Sache angenommen haben. Zum Glück für alle Verordner und deren Patienten ging damals die Firma Heel den Weg des geringsten Widerstandes und nahm die Substanz aus dem Mittel raus und konnte es damit erhalten.
Dann hätte ich mir eine Beschränkung für Phytopharmaka einfallen lassen - Wie das geht? Ganz einfach. Ich hätte jedem Hersteller von Tee oder Tropfen vorgeschrieben, er möge - wenn er mehr als drei Drogen in einem Tee oder Pflanzenpräparat anbieten möchte - auch die Wechselwirkung der einzelnen Substanzen von einer Universität untersuchen und beschreiben lassen. Also bei 5 verschiedenen Pflanzen in einem Tee sind das 5x4x3x2= 120 Untersuchungen bei 10 Ingredienzien sind's aber schon 3,6 Millionen Untersuchungen. Hinrissig? Ja. Effektiv? Auch. Denn da geben die ersten Firmen bereits auf , wie zB die Fa Famitra Berthold Mayer aus Berlin, die 1993 entnervt aufgibt, und von da an Soja Fertigprodukte herstellt. Damit der Grausamkeiten nicht genug, denn jetzt läuft die Maschinerie erst richtig warm.
Wer die Naturheilkunde abschaffen will, muss an die Mittel ran. Also wird 1994 zunächst über die neue Aufgabenverteilung im Gesundheitsministerium die neu gegründete BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) damit beauftragt die Homöopathischen und sonstigen Naturheilmittel im Zuge einer beabsichtigten Nachzulassung zu registrieren. Jetzt müssen die Hersteller für die BfArM für ihre Spezialitäten Beschreibungen erstellen und aufwändige Wirkungsnachweise bringen. Dabei gibt es da aber nur ein Problem:
Homöopathie funktioniert nicht nach demselben Prinzip wie ein Aspirin, sondern basiert auf Arzeneimittelbildern. Das bedeutet, wenn Hänschen Ohrenschmerzen hat braucht er eventuell ein ganz anderes Mittel als seine Schwester Lene, obwohl die auch Ohrenschmerzen hat... Und dann wird‘s richtig spannend. Wie misst man die Wirkung von Homöopathie? Wie beschreibt man die Wirkung von Einzel- oder gar Komplexmitteln?
Es werden Monografien erstellt. Doch damit wird nach Gutdünken und Hörensagen festgelegt, was keiner so recht beschreiben kann. Das Werk von Keller, Greiner, Stokkebrandt wird zur Bibel der BfArM. Von der Registrierung bis zur Nachzulassung vergehen über 10 Jahre.
Was dabei raus kommt sind 15 Änderungen im AMG. Es wird vorgeschrieben
- welche Einzel-Mittel überhaupt noch hergestellt werden dürfen
- wie die Zusammensetzung in Komplexmitteln sein darf, dass
- Homöopathie und Pflanzen sich nicht mehr ergänzen dürfen,
- Homöopathie nicht mehr als Dragees hergestellt werden dürfen
- Nosoden z. großen Teil nicht mehr hergestellt werden dürfen
- Dosierungsrichtlinien ohne Sinn und Verstand werden per Erlass eingeführt
- Von bestimmten Homöopathika werden nur noch 1000 pro Jahr zugelassen
- orale Einzeldosen werden abgeschafft
- bestimmte Pflanzen dürfen auch nicht mehr verwendet werden
Als das immer noch nicht reicht, wird im Rahmen der Gesundheitsreform die Verschreibungsfähigkeit fast aller nicht rezeptpflichtigen Mittel - wobei die Naturheilmittel in der Hauptsache betroffen sind - aufgehoben.
All diese Beschränkungen haben der Naturheilkunde immer noch nicht den Garaus gemacht hat, denn das undankbare Volk kauft sich jetzt, soweit es nicht zu arm dazu ist, die Natur-Heilmittel selber, renitente Heilpraktiker und Ärzte ergänzen die kastrierten Komplexmittel wieder auf die ursprüngliche Rezeptur, und pfiffige Apotheker stellen Tees und Tropfen in der Zusammensetzung her, wie sie früher von Firmen hergestellt wurden ...
Also gehe ich, wenn ich die Naturheilkunde kaputt machen will, nun an die Firmen. Ich überziehe sie im Schnitt alle zwei Jahre mit unsinnigen und teuren Zulassungsverfahren und Ausführungsbestimmungen um ihnen dann nach endlosem Klageweg nur noch ein Bruchteil der einstigen Arzneimittelschätze zuzugestehen.
Außerdem, damit sich das dumme Volk nicht mehr so ohne weiteres mit Naturheilmitteln selbst versorgen kann, wird nun nach willkürlichem Prinzip (Stichwort Traditionsmittel) die Kennzeichnung der Indikationen bei homöopathischen Mitteln abgeschafft. Auch im Namen darf man das Mittel nicht mehr erkennen. So heißt dann das frühere Phönohepan dann Phönix Silybum und das Phönix Antitox wird zu Urtica Arsenicum. Wenn es dann keiner wieder erkennt und die Hersteller gar nicht so viele Außendienstler ins Rennen schicken können damit sie aufklären, wen kümmert es. Wenn dann der ahnungslose Patient dann noch im Beipackzettel liest, dass er ein Mittel hat, dem (eigentlich) keine Wirkung nachgesagt wird und wenn er liest, dass er sich bei Verschlechterungen sofort mit dem Arzt (nicht mit dem Heilpraktiker?) in Verbindung setzen soll, dann wird das Vertrauen der nächsten Generation in Naturheilmittel doch erheblich erschüttert. Sie möchten das nicht glauben?
Ich habe mir die Mühe gemacht und die Firmen, soweit sie noch im Verzeichnis in der Roten Liste waren, aufzuspüren und habe sie angeschrieben. Es haben nicht alle geantwortet, aber bei denen, die sich geäußert haben, war die Resonanz eindeutig und überwältigend.
Ich darf nun statt eigener Worte die 6 Fragen wiederholen und die Antworten zitieren:
Frage 1
Mussten Sie Mittel vom Markt nehmen?
Ja. Durchschnittlich über 100 Mittel
Frage 2a.
Mussten Sie im Zuge der Änderungen Mittel umbenennen?
2 Firmen: alle 7 Firmen durchschnittlich 17 Mittel
Frage 2b.
Mussten Sie Mittel in der Zusammensetzung ändern
um sie weiterhin vertreiben zu dürfen?
durchschnittlich 50 Mittel
Frage 3.
Wurden wegen dem Wegfall der Erstattungsfähigkeit der GKV
Mittel vom Markt genommen?
Wegen der fehlenden Erstattungsfähigkeit wurde nur bei zwei Firmen je ein bzw. zwei Mittel vom Markt genommen. Bei Herstellern von Nosoden wirkt die Regelung verheerend. 500 Präparate sind zB bei Staufen Pharma nicht mehr erstattungsfähig!
Frage 4.
Hatte die Gesundheitsreform Auswirkungen auf die
Anzahl der Mitarbeiter?
Sehr unterschiedlch. Soweit auf Nahrungs-Ergänzungs-Mittel oder Exportaktivitäten ausgewichen werden konnte, kaum Personalabbau - ansonsten dramatisch. Bis zu kompletten Firmenauflösungen.
Frage 5.
Mussten Sie seit der Gesundheitsreform
Einbussen hinnehmen?
einhellig ja, sehr grosse Umsatzrückgänge
Frage 6.
Sind Sie noch auf dem Sektor
Herstellung Naturheilkundlicher Spezialitäten tätig?
alle ja
Zusammenfassung
Was lässt sich auf dem politischen Sektor noch machen, damit der Hersteller noch produzieren und davon leben kann und der Patient nicht in absehbarer Zeit mit schulmedizinischen Segnungen zwangsbeglückt wird?
Dr Uwe Peters von SymbioPharm hat es so zusammengefasst:
Die politische Forderung muss derzeit dahingehen, den Methoden-Pluralismus zu erhalten, die DMPs (Disease Management Programme) nicht verbindlich werden zu lassen, Naturheilkundliche Methoden explizit in der Behandlung zu nennen. Im Sinne des AMG ist ein Passus wichtig, der auch Nachweise außerhalb der EBM (einheitliche Bewertungsmaßstab) akzeptiert und empirische Belege der Erfahrungsheilkunde höher bewertet als derzeit.
oder ein Hersteller schreibt:
Neben der Abschaffung von unsinnigen Reformen benötigen wir unbedingt einen Abbau unserer zum Teil viel zu großen und langsamen arbeitenden Bürokratie. Wir benötigen unternehmerische Freiheit mit einer effizienten Kontrolle, die uns aber nicht durch ein Übermaß an Kontrolle und durch zu langsames Bearbeiten von Anträgen lahmlegt. Ansonsten werden noch mehrere Unternehmen ihre Pforten schließen, zum Verkauf stehen oder ihren Firmensitz ins Ausland verlegen.
Was kann die FDP nun als Partei für die betroffenen Firmen und Patienten tun? Eigentlich nur noch mit dem Finger auf die Mißstände zeigen, die sich aus dem ganzen Wust von Gesetzen und Vorschriften ergeben haben. Sie kann als Fürsprecher der mittelständischen Betriebe und freien Berufe (Hersteller, Heilpraktiker und Ärzte) auftreten und durch das einbringen von Anfragen und durch die berechtigte Kritik an der derzeitigen Situation die Öffentlichkeit informieren. Ich bin gerne bereit mich diesbezüglich mit einzusetzen.
Ziel sollte sein, die bürokratischen Beschränkungen in der Naturheilkunde wieder aufzuheben. Die Naturheilkunde liefert einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit. Sie zu beschränken, wie das in den letzten 30 Jahren sukzessive erfolgt ist, hat sich bereits langfristig in höheren Kosten auf dem Gesundheitssektor niedergeschlagen. Ein Engagement für die Naturheilkunde motiviert die Hersteller , weiterhin im Land zu produzieren. Mir ist ein Fall bekannt, wo ein kleiner Hersteller ziemlich zu Anfang der Misere nach Amerika ausgewandert ist, der jetzt via Holland seine Mittel in Deutschland auf den Markt bringt.... Bevor dieses Geschäftsmodell Schule macht, sollte wirklich mal überlegt werden, ob man mit diesen ganzen Gesetzen und Reformen nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.
Schwabmünchen, 12.5.07